Kloster Tegernsee |
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Tegernseer Lichtspiele. Die Ausrichtung der Kirche,
ihre (vorhandenen und 1824 zugemauerten) Öffnungen im Westwerk und die Berge
westlich des Seeufers lassen vermuten, dass die Klosteranlage so abgestimmt
wurde, dass das untergehende Sonnenlicht bestimmte Tage im Kircheninneren
markierte. Dieser Thematik bin ich in
einem Artikel nachgegangen, der in der Herbstausgabe 2018 des Tegernseer Tal
Verlages zum Abdruck kommt. Eine Anmerkung zu den
Bildern unten: Frau Barbara Filipp informierte mich per Mail am 15. Juli
2018, dass die Farbfassung der heutigen Anlage (ockergelb mit weißen
Fensterrahmungen) eine Umkehrung der ursprünglichen Farbfassung ist. In
meinen Rekonstruktionen ging ich bisher von einer rosa Fassung aus, weil Rosa
im Barock eine Modefarbe war und auch der Stuck in der Kirche zum Millennium
1746 rosa gefasst wurde. Ich nehme aber den Hinweis gerne auf und habe meine
Bilder im September 2018 entsprechend geändert. |
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Die Arkaden am ehemaligen
Westtrakt. 1803 nach der Aufhebung des
Klosters ließ sein Käufer, der Freiherr von Drechsel, die Wirtschaftsgebäude,
das repräsentative Treppenhaus und das Schulgebäude westlich der Kirche auf
dem Terrain der heutigen Schmetterlingswiese abbrechen. Aufgrund vorhandener
Grundrisse ist ersichtlich, dass der Trakt gegenüber der Kirche mit Arkaden
gestaltet war. Im Zentrum dieses Flügels befand sich der Haupteingang zum
Klosterkomplex, den man über den Torbau (heute Altherrenhaus) und einem Weg
am Seeufer entlang zwischen die heute noch stehenden Bäume hindurch
erreichte. Diese Rekonstruktion
orientiert sich am großen Innenhof des Klosters Benediktbeuern. |
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Auf einem Gemälde Abt
Bernhard Wenzels von ca. 1700, als er vom Amt zurücktrat, sind jene Bauteile
abgebildete, die Wenzel während seiner Amtszeit erneuern lies.
Bemerkenswert ist dabei die Westfassade der Kirche mit ihren beiden Türmen:
diese sind nämlich nicht so hoch wie im Idealplan von 1700 und geben wohl die
Höhe der zu diesem Zeitpunkt noch nicht barockisierten romanisch-gotischen
Türme wieder (vgl. unten) – allerdings im vorgesehenen barocken Gewand. In
der nebenstehenden Rekonstruktion habe ich versucht, diese – wahrscheinlich
tatsächlich beabsichtigte – Barockisierung darzustellen: Die Türme sind zwar
dem Idealplan gemäß umgestaltet, haben aber ihre ursprüngliche Höhe behalten.
Um die Türme nicht noch niedriger erscheinen zu lassen, fällt auch der Giebel
über der Eingangsfassade niedriger aus. |
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Diese Rekonstruktion orientiert
sich an dem Stich des Idealplans von 1700. Es stellt sich die Frage, ob das Westwerk harmonisch
zur Bemalung der Gebäudetrakte farblich gefasst war. Ich gehe hier davon aus,
dass auch die Türme wie heute noch die Westfassade mit Tuffstein verblendet
werden sollte. Die Türme sind erhöht worden, indem man auf die bestehenden
romanischen Türme (siehe unten) neue Glockenstühle aufgesetzt hat. Die
Turmhelme orientieren sich an den gotischen, sind aber durch Hauben
überblendet worden, die der Formensprache der Münchner Theatinerkirche
folgen. Das ist kein Zufall. Die Abtei hatte beste Kontakte zu Kurfürst
Ferdinand Maria und ließ von Enrico Zuccalli, einem
der Erbauer der Theatinerkirche St. Kajetan, die Pfarrkirche von Gmund neu
errichten. Der Barockplan der Tegernseer Klosterkirche orientiert sich
deutlich an St. Kajetan; vielleicht hatte Zuccalli
auch hierbei seine gestaltende Hand im Spiel. |
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In diesem Bild versuchte
ich den Zustand der Kirchenfassade und des Haupthofes zu rekonstruieren, wie
es sich vor der Säkularisation 1803 darstellte. Um die romanischen Türme
darzustellen, verwendete ich Teile der Kirchtürme von Kreuth, des
Welfenmünsters von Steingaden und des Domes von Freising. Stiche von 1700, 1800 und
1803 belegen einen Giebel über der Westfassade, wie er hier eingefügt wurde. In der Westfassade selbst
sind die beiden Fenster zu erkennen, die Leo von Klenze zumauern lies, ebenso den Pilasterschmuck
und das ovale Mittelfenster der Orgelempore, das Klenze zum Rundfenster/Rose
verkleinerte. Die Fassade der Klostergebäude
war damals vermutlich nicht gelb/weiß gestrichen wie heute. Der Hinweis, dass
die Kirche innen zum Jubiläum 1746 weiß-rosa gestaltet wurde, veranlasste
mich zu der Annahme, dass eine solche Farbgebung – korrespondierend zum
Großen Innenhof von Benediktbeuern (dort grün/weiß) – auch in weiß und rosa gestaltet wurde. Um die barocken
Fensterrahmen anzudeuten, bediente ich mich eines Palais in der
Kardinal-Faulhaber-Straße in München. Zu erkennen ist weiterhin der
Nordflügel der Westtrakte, die vor ihrem Abriss auf der heutigen
Schmetterlingswiese standen. Die vier Tore sind vom Grundriss der
Barockanlage als Durchgang durch die Wirtschaftsgebäude belegt. |
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Von der Errichtung des
spätgotischen Psallierchores östlich der ursprünglichen Apsis bis zur
Einziehung von Leo von Klenzes Holzwand zwischen Presbyterium und Chor hatte
der Kirchenbesucher einen freien Blick auf die Fresken- und Stuckdecke des
Chores bis zu dessen Apsis. Diese Grafik versucht,
diesen Blick zu rekonstruieren. Dazu wurden außer eigenen Fotografien auch
ein Bild aus dem Tegernseer Tal Verlag verwendet. Vom Kirchenschiff über die
Kuppel geht der Blick zur Pfingstdarstellung und weiter über das Fresko der
Kirchenpatrone zur Himmelfahrt Marias und dem Schutzengel bis zum
Kreuzigungsbild des mit Säulen umrahmten Hochaltarblattes, das nun wieder in
die Apsis des Chores verlegt ist. Die Wirkung des
Kirchenraumes verlängert sich und die Apsis wird durch das Licht der weiteren
Fester deutlich heller. Bemerkenswert wird nun die
frei stehende „Chorschranke“ des Hochaltars, die durch zwei Durchgänge mit
dem Mönchschor verbunden ist und fast wie eine orthodoxe Ikonostase wirkt. Da
sie laut Sixus Lampl auch auf der Rückseite gestaltet ist und den Altardienst
auch dort über dem Hochgrab der Stifter ermöglichst, ist davon auszugehen,
dass sie auch wirklich hier und nicht unter dem Altarblatt in der Apsis
stand. Das Stiftergrab befindet
sich schon seit dem Mittelalter an derselben Stelle. Ursprünglich wurde sie
von jener Tafel bedeckt, die heute über dem Kirchenportal angebracht ist. Bei
der Barockisierung wurde das Grab der heiligen Stifter zum Hochaltar
umgestaltet. |
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Seit Leo von Klenze 1824
zwischen Mönchschor und Kirchenschiff eine Holzwand einzog, ist der Tegernseer
Freskenzyklus von Hans-Georg Asam nicht mehr vollständig. Dank der
Dokumentationen des Münchner Merkur vom 12./13. März 2011 und dem Tegernseer
Tal Verlag von 2011 konnte nun das Bildprogramm des „Tegernseer Himmels“ auf
dem Grundriss der Kirche (© Dr. Sixtus Lampl) komplett dargestellt werden: Auffällig ist die starke
Konzentration des Bildprogramms auf Jesus Christus. Der Zyklus beginnt über
der Orgelempore (links) mit der Geburt Jesu und zeigt im Mittelschiff weitere
Szenen von Jesu göttlicher Offenbarung: Die Huldigung der Drei Weisen, der
Zwölfjährige im Tempel, die Taufe Jesu im Jordan, die Verklärung auf dem Berg
Tabor. „Durchkreuzt“ werden diese Bilder vom Kreuzweg in den Seitenschiffen.
Beginnend mit dem (nicht biblischen) Abschied Jesu von seiner Mutter Maria
(über der Huldigung) wechseln die Bilder immer zwischen nördlichem und
südlichem Seitenschiff hin und her: Das Gebet im Garten Getsemani, der Verrat
des Judas, Geißelung, Verspottung durch die Soldaten, „ecce homo“, Jesus
fällt unter dem Kreuz und Kreuzigung. Dann folgen in der Fortsetzung dieser
Bewegung die Auferstehung (nördliches Querschiff und die Himmelfahrt
(südliches Querschiff. Zielpunkt des Ganzen ist die Kuppel in der Vierung
(die erste Flachkuppel nördlich der Alpen), eine Allerheiligendarstellung mit
der Trinität im Kuppelscheitel – bemerkenswerterweise mit einer Darstellung,
wie sie im lateinischen Westen zu dieser Zeit verboten, im orthodoxen Osten
aber üblich war. Richtete sich die Abfolge
der dargestellten Kirchenfeste bis hierher nach der Biographie im Leben Jesu
nach den Evangelien, so folgen die östlich der Kuppel dargestellten Feste
deren Datum im Kalender: Pfingsten (50 Tage nach Ostern - über dem
Hochaltar), die Kirchenpatrone Petrus, Paulus, Quirinus, Chrysogonus und
Castorius (16. Juni/ 29. Juni - heute in der Holzwand verborgen bzw. im
Psalierchor übermalt; © Münchner Merkur 2011), Mariä Himmelfahrt (15. August;
© Tegernseer Tal Verlag 2011), der Schutzengel (damals 1. Sonntag im
September; © Tegernseer Tal Verlag 2011) und, ursprünglich als Abschluss, die
Kreuzigung des Altarbildes als Darstellung der Kreuzerhöhung (14. September –
in der Apsis des Psalierchores, heute über dem Hauptaltar). Alle weiteren Fotos: Dr. Meiner Meinung eine
perspektivische Nachbildung des ursprünglichen Tegernseer Altares bietet der
Hochaltar von Gmund am Tegernsee, der ersten Pfarrkirche im Tal. Die Idee,
das Stiftergrab als Hochaltar in die Mitte zwischen Möncheschor und Gemeinde
zu rücken, folgt dem Vorbild von Monte Casino, dem Mutterkloster der
Benediktiner. Es wäre wünschendwert,
Hans-Georg Asams Gesamtwerk durch die Entfernung der Klenze’schen Abtrennung
wieder sichtbar werden zu lassen. |
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Als das Kloster am 17. März
1803 offiziell aufgehoben wurde, war es kein Konkursfall, sondern vielmehr ein modernen Konzern auf der Höhe seiner wirtschaftlichen
und kulturellen Blüte. 1678, am 700. Jahrestag
seiner Restaurierung nach den Ungarneinfällen begann mit der Grundsteinlegung
des neuen Torbaues (das „Altherrenhaus“ im Vordergrund) die barocke
Neugestaltung des gesamten Klosterkomplexes. Bis zum Jahre 1770 war der
„Masterplan“ von Abt Bernhard Wenzel vollständig umgesetzt – mit Ausnahme der
Kirchtürme. Ihre Fertigstellung verzögerte sich vermutlich durch die
finanziellen Belastungen während der Koalitionskriege und waren vielleicht
für die Millenniumsfeier der Errichtung der Türme 1812 vorgesehen; zu dieser
Zeit gab es aber das Kloster schon nicht mehr. Heute stehen noch der
Westteil des Torbaues und die Osttrakte mit der Kirche. Die Wirtschafts- und
Schulgebäude im Westen wurden bereits kurz nach der Säkularisierung
niedergerissen. Heute sind dort die Schmetterlingswiese und der unschöne
Parkplatz. |
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Im Jahre 1824 baute Leo von
Klenze im Auftrag seines Königs Max Joseph I. das Westwerk
der Tegernseer Klosterkirche um. Ziel war es ursprünglich, das Westwerk der
Himmelfahrts-Kirche über der Spanischen Treppe in Rom zu kopieren. Bis dahin standen die
beiden, 1004 und 1012 (die erste Doppelturmfassade nördlich der Alpen!)
vollendeten romanischen Türme unverblendet zu beiden Seiten der aus Tuffstein
gestalteten Barockfassade. Das Bild, das ich für einen Artikel zu den
romanischen Türmen im Tegernseer Tal Verlag verfasst hatte, rekonstruiert die
Türme so, wie so vermutlich ohne Klenzes Umbau heute noch bestehen würden. Nach dem Barockplan hätten
die Türme architektonisch untergliedert, eventuell erhöht und mit barocken
Turmhelmen bekrönt werden sollen. Dazu kam es nicht mehr. Finanzielle
Belastungen während der Koalitionskriege und Napoleonischen Kriege
verhinderten eine Fertigstellung an einem für das Kloster sinnfälligen Datum
(z.B. 1812 – 800 Jahre nach Errichtung der Türme). |
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